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" Besuch bei den grossen Brüdern "



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Dieser Artikel ist im Orion, Ausgabe 243 (April 1991) erschienen.
(Der Orion ist die Mitgliederzeitschrift der SAG, der Schweizerisch Astronomischen Gesellschaft)

LUZERNER AMATEUR ASTRONOMEN BESUCHTEN "IHRE GROSSEN BRÜDER"

- Ein astronomischer Reisebericht von Peter Ens -

Über 30 Mitglieder der Astronomischen Gesellschaft Luzern (AGL) besuchten vom
15. bis zum 18. November 1990 im Raume München ihre "grossen Astronomie-Kollegen" !



DLR

Der erste Abstecher führte uns zur Deutschen Forschungsanstalt für Luft- und Raumfahrt
in Oberpfaffenhofen. Der 'Einstiegs-Videofilm' gab einen ersten Überblick über die örtlich weit
verteilten Forschungszentren der DLR und die vielen Aktivitätsgebiete, die vom Satellitenstart
bis zur Wetter- und Umweltbeobachtung reichen.

Mit dem 'Wolkenradar' zum Beispiel werden Schlechtwetterfronten erkannt und den
Forschungsflugzeugen in der Luft mitgeteilt. Mit diesen genauen Angaben werden viele
Flugkilometer vermieden und die Forscher in der Luft können 'vor Ort' ihre Beobachtungen
und Messungen erledigen.

Durch Satellitenaufnahmen konnten wir nochmals die Algen in der Adria sehen, jedoch auch,
dass es unserem Wald immer noch nicht besser geht! Für Klimaforscher sind die Bilder des
Eises in der Ostsee, für Landschaftsforscher die Aufnahmen der Iberischen Halbinsel, die
die Rauchfahnen von Flächenbränden bis zur landwirtschaftlich genutzten Fläche und noch
viele andere Details erkennen lassen, von grossem Interesse.

Für dieses Spezialgebiet ist die Abteilung DFD ( Deutsches Fernerkundungsdatenzentrum )
verantwortlich.


Eine enge Zusammenarbeit mit der NASA hat die Abteilung RPIF (Regional Planetary Image Facility),
die alle bisher durch Raummissionen und bodengestützte Beobachtungen gewonnenen Daten von
planetaren Objekten im Sonnensystem archiviert und für wissenschaftliche Forschungszwecke zur
Verfügung stellt. Die Sammlung umfasst Bild- und Begleitdaten amerikanischer, sowjetischer und
europäischer Raumfahrtmissionen wie z.B. die der Pioneer 10, der 'Halley-Sonde' Giotto, Voyager 1 & 2,
etc. Nebst Archivierung in 'Photoalben', auf Mikrofilm und Mikrofiche sind die Bilder auch elektronisch
auf Bildplatten gespeichert und so schnell zur Hand.

Zu den wissenschaftlich-technischen Betriebseinrichtungen gehört das Raumfahrtkontrollzentrum
GSOC ( German Space Operation Center ). Von hier aus wurden und werden Missionen wie Giotto
und der Röntgensatellit ROSAT gesteuert und kontrolliert.
Bei unserer Besichtigung des Satellitenkontrollraums K1 wurde der Start und die Flugbahn des Eutelsat's,
der inzwischen im Januar 91 'hochgeschossen' wurde, im 'Trockenlauf' getestet und simuliert.


Max-Planck-Institut für Extraterristische Physik

In einem Vortrag, der das ganze Spektrum von den tiefsten Frequenzen bis hin zu den kosmischen
Strahlungen am anderen 'Ende der Skala' enthielt, erfuhren wir, in welchen Frequenzsegmenten an
diesem Institut geforscht wird : Im Bereich der X-Strahlen ( Röntgen ) mit dem Satelliten ROSAT,
im Bereich der Gamma-Strahlen mit dem GRO ( Gamma Ray Observatory ), dessen Start für April '91
vorgesehen ist. Leider wurde das Experiment einen Tag vor unserer Ankunft am Max-Planck-Institut
nach Amerika verfrachtet, um es in den Satelliten einzubauen. Als Entschädigung erhielten wir eine
theoretische Beschreibung des Versuches, der in Originalgrösse über 2 Meter misst und der die
auftreffenden Gammastrahlen registriert.

Der Frequenzvortrag ...

 ... am Anfang  ... am Ende

Bei den 'Röntgen-Astronomen' werden eifrig die Daten und Ergebnisse des optimal gestarteten und
zur vollsten Zufriedenheit funktionierenden Satelliten ROSAT gesammelt und ausgewertet. Eine seiner
Hauptaufgaben, eine Karte der 'sichtbaren' Röntgenquellen zu erstellen, wird er inzwischen schon bald
erfüllt haben !

Das Problem bei der Untersuchung von Röntgenstrahlung ist die hohe Energie und die Kurzwelligkeit
der Strahlung. Da hochenergetische Röntgenstrahlen beinahe alle Materialien durchdringen, werden
die Strahlungen mit dem sogenannten "Wolter-Teleskop" und diversen Bilddetektoren gemessen.
Das Wolter-Teleskop im ROSAT hat eine Öffnung von 84 cm. Die einfallende Röntgenstrahlung wird
zuerst an einem parabolischen, dann an einem hyperbolischen Spiegel streifend reflektiert und
anschliessend in der Bildebene fokussiert. Am Fokussierungspunkt übernimmt, je nach Energiebereich,
einer der drei Bilddetektoren die Auswertung. Die Spiegel (es sind vier ineinander geschachtelte
Systeme vorhanden), bestehen aus der Glaskeramik 'Zerodur' und sind, um die Reflexions-
eigenschaften zu erhöhen, mit Gold beschichtet. Das eigentliche Meisterwerk ist die Präzision des
Oberflächenschliffes : die Mikrorauhigkeit wurde mit 0,3 Nanometer in den Bereich atomarer Dimensionen
gebracht - es wurden einige Jahre für die Entwicklung dieser Poliertechnik benötigt !

In einem Teil des ROSAT Rechenzentrums erfuhren wir, dass dieser nur für 5 Minuten 'sichtbar' ist
und dass in diesem Zeitraum die ankommenden Daten empfangen und abgehende Daten zum Satelliten
geschickt werden müssen. Da ROSAT eine hohe Überflugsgeschwindigkeit hat, müssen die Parabol-Spiegel
dem Satelliten wärend dieser Zeit immer nachgeführt werden. Nach dieser 5 Minuten-Transaktion ist
ROSAT für die nächsten 16 Stunden verschwunden ! Nebst aktuellen Daten werden auch die
Betriebszustände und Bordspannungen übermittelt. Dass die Spannung der Solarzellen minim zu
hoch ist und diese Anzeige folglich in 'roter Warnschrift' erfolgt, ist am Max-Planck-Institut purer Alltag !

An einem Bildschirm (ATARI) wird uns ein Sichtbild-Streifen eines füheren Überflugs gezeigt. Beinahe am
interessantesten empfand ich persönlich den "hellen Röntgen-Himmel mit Mond". Auf diesem Photo ist der
'normale Himmel' durch die relativ gleichmässige Hintergrund-Röntgenstrahlung aufgehellt. Unser Mond
dunkelt diesen Hintergrund mit seiner Masse ab, zeigt jedoch auf der Sonnenseite eine erhöhte Strahlung.
Auf der Schattenseite ist gegen ersten Erwartungen ebenfalls eine schwache Röntgenaktivität sichtbar,
diese ist vermutlich durch Reflexionen über die Erde zustandengekommen (dieses Bild wurde inzwischen
veröffentlicht).

Der "ROSAT - Atari"

 Der ROSAT - Atari


Max-Planck-Institut für Physik und Astrophysik

An diesem Institut wird theoretische Forschung betrieben. Es gibt diverse Arbeitsgruppen für : Kometen,
Sonnenwind, Atomphysik, Kosmologie (diese Untersuchen den Urknall und die Entstehung von Galaxien),
Chemie (die Zusammensetzung interstellarer Gase wird hier erforscht), usw. Da wir hier das Vortragsthema
aus dem Arbeitsbereich wünschen konnten, hörten wir viel neues über Pulsare. Bei seiner Drehung um die
Rotationsachse erzeugt das enorm hohe Magnetfeld des Pulsars die Synchrotronstrahlung, die wir hier
'Empfangen' können. Der bekannte 'Millisekunden-Pulsar' dreht sich so genau um seine Achse (642 mal
pro Sekunde), dass man bei den Schwankungen nicht feststellen kann, ob der Pulsar seine Drehzahl ändert
oder ob die Ungenauigkeit an den Messuhren liegt !!


ESO - European Southern Observatory, Sternwarte ohne Fernrohr

Der Haupsitz der ESO in Garching bei München ...

 Der Haupsitz der ESO

Die Europäische Südsternwarte (ESO), eine wissenschaftliche Organisation mit momentan acht
Mitgliedstaaten ( Belgien, BRD, Dänemark, Frankreich, Italien, Holland, Schweden und der Schweiz)
liegt in unmittelbarer Nachbarschaft neben dem Max-Planck-Institut in Garching bei München.

... und die für eine "Sternwarte" architektonisch sehr interessante und eigenwillige Eingangshalle !

 Die Eingangshalle der ESO

Das Observatorium, mit insgesamt 15 Instrumenten, befindet sich in der Atacama-Wüste auf dem Berg
La Silla (2400 m.ü.M.), ca. 600 km nördlich von Santjago de Chile. Das Gebiet, eines der trockensten
der Welt, bietet mit mehr als 300 klaren Nächten pro Jahr sehr gute Voraussetzungen für erdgebundene
Beobachtungen. Einige der Teleskope lassen sich direkt von hier aus fernbedienen. Die Verbindung von
Garching bei München erfolgt über Telephonleitungen zur Satelliten-Bodenstation in Raisting. Von hier
aus werden via Fernmeldesatellit die Signale nach Santjago übermittelt und von dort über einen ESO-
eigenen Mikrowellenlink direkt nach La Silla geschickt.
Die Beobachtung in Garching erfolgt wegen der Zeitverschiebung 'normalerweise' zwischen
Mitternacht und dem nächsten Mittag. Diese ungewöhnliche Arbeitszeit erspart den Astronomen
jedoch die Reise nach Chile !

Ein "Beobachtungsraum" der ESO.
Von hier aus können einige Telekope in Chile gesteuert und die Bilder betrachtet und ausgewertet werden !

 ... ein Beobachtungsraum

Unser 'Demonstrator und Führer' durch die ESO, kein geringerer als Richard M. West ( 'Entdecker'
des bekannten Kometen West von 1976 ), erläuterte die Suche nach dem idealsten Ort für das neuste
Projekt der ESO, das VLT (Very Large Telescope). Dieses grösste, optische Teleskop der Erde besteht
aus vier Instrumenten mit je 8,2 m Spiegeldurchmesser. Werden alle vier Teleskope zusammengeschalten,
so ergibt dies die Leistung eines eines 16 Meter Spiegels (Anmerkung : der Spiegel der Sternwarte Sursee
hat einen Durchmesser von 36 cm !!!). Diese Leistung wird so gut sein, dass man die Bedingungen im
Universum 'kurze Zeit' nach dem Urknall beobachten werden kann. Damit das System so flexibel wie nur
möglich und für alle Beobachtungszwecke optimal einsetzbar ist, werden die Teleskope auch einzeln
bedienbar sein.

Die Anordnung in einer etwas 'verzogenen' Trapezform und die Hinzufügung kleinerer, verschiebbarer
Instrumente ist optimiert auf die Platzverhältnisse am Berg und auf den Wunsch, mit den Spiegeln auch
optische Interferometrie betreiben zu können. Die Optik des VLT wird, wie bei dem erfolgreichen NTT
(New Technologie Telescope), auch aktiv sein.

Die Kosten von ca. 1/2 Milliarde Mark für das VLT scheinen im ersten Moment sehr hoch. Vergleicht
man diese jedoch mit den viel höheren Kosten des Hubble-Space-Teleskopes oder mit den Ausgaben
unserer Länder für Rüstungszwecke : Ein kleiner Betrag für eine grosse und gute Sache !!


Die sich über sechs Jahre hinziehende Evaluation des besten Standortes der Welt für das VLT
ist nun beendet ! Das Superteleskop wird einst auf dem 2664 m hohen Gipfel des Cerro Paranal
stehen. Dieser befindet sich im nördlichen Teil der Atacama-Wüste, ca.130 km südlich der Hafenstadt
Antofagasta, 12 km von der Pazifikküste entfernt. Die Zahl der klaren Nächte wird an keinem anderen
Ort übertroffen, die Stabilität der Atmosphäre ist ungewöhnlich gut. Die teleskopische Auflösung ist hier
im Mittel 0,66 Bogensekunden (in La Silla 0,76 ; in Europa zwischen 2 - 3 Bogensekunden), wärend
58 Tage erreichte man sogar Werte kleiner als 0,5 und der Rekordwert lag für 3 Stunden bei
phantastischen 0,25 Bogensekunden ! Das erste der vier 8,2 m Teleskope wird voraussichtlich
1995 in Betrieb genommen - wir können gespannt sein !

... anbrechende Nacht über der ESO

 ... anbrechende Nacht über der ESO


Ein wunderschöner (und antiker) Refraktor ...

 Ein antiker Refraktor

... und das Foucault'sche Pendel zur Demonstration der Erdrotation ...

 Foucault'sches Pendel  Foucault'sches Pendel

... im Deutschen Museum in München !


Für die Astronomische Gesellschaft Luzern

Peter Ens
Sternwarte Sursee



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